Anerkennung des Berufsabschlusses? „Es lohnt sich in jedem Fall“ (Interview)

Seit nunmehr einem Jahr können nach Deutschland Zugewanderte ihre ausländischen Berufsabschlüsse anerkennen lassen und hier in ihren Berufen arbeiten. Das IQ Netzwerk Brandenburg interviewte Grażyna Wojciechowska zu ihren Erfahrungen als polnische Fachkraft in Brandenburg. Sie war im März 2013 in der IQ-Anerkennungsberatungsstelle und wird in Kürze eine Anerkennung als Krankenschwester beantragen.

Welche Berufsausbildung oder welches Studium haben Sie abgeschlossen und wann?

Ich habe nach dem Abitur in Gdańsk eine zweijährige medizinische Berufsausbildung zur Krankenschwester gemacht und diese 1982 abgeschlossen. Danach habe ich in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet. Es kam auch zu einer längeren beruflichen Pause durch meine Kinder.

 

Wie alt sind Sie?

Ich bin 58 Jahre alt, die meisten Menschen schätzen mich aber jünger und sind überrascht, wenn sie mein Alter erfahren.

 

Wie lange arbeiten Sie bereits in Deutschland?

Ich arbeite hier seit Mitte Dezember 2012, derzeit als Heilpflegerin. Ich bin Freiberuflerin. Momentan arbeite ich in einem Seniorenheim in Potsdam. Ab Juni werde ich zusätzlich bei einem mobilen Pflegedienst in Berlin anfangen.

 

Sie kommen aus Polen und haben dort als Krankenschwester gearbeitet. Warum haben Sie Deutschland gewählt, um hier zu arbeiten und warum fiel Ihre Wahl auf Brandenburg?

Der erste Grund sind meine Deutschkenntnisse. Ich verstehe Deutsch gut, ich habe vor ca. 20 Jahren begonnen mit Deutsch. Deutschland ist nicht so weit weg von Polen, von Berlin sind es nur 500 km bis Gdańsk. Ich habe mit Deutschland gute Erfahrungen gemacht, habe immer mein Geld bekommen. Mein Sohn ist arbeitslos geworden und sucht jetzt Arbeit in Großbritannien. Aber ich würde kein anderes Land wählen, trotz der Geschichte, aber das ist lange her und wir sind schon die nächste Generation.

 

Wie haben Sie erfahren, dass Sie sich Ihre Qualifikation als Krankenschwester in Deutschland anerkennen lassen können?

Zunächst muss ich sagen, dass es für Leute wie mich schwierig ist, Informationen darüber zu finden, was man machen muss, um in Deutschland in seinem Beruf zu arbeiten. In Polen bekommt man diese Informationen nicht. Und viele Arbeitgeber wissen auch nichts über die Möglichkeit der Anerkennung.
Ich wurde von einer Stelle zur nächsten geschickt. Ich habe mich zuerst in Polen erkundigt In Deutschland war ich dann beim Gesundheitsamt, bei einem potenziellen Arbeitgeber, bei der Migrationsbehörde in Potsdam und schließlich in der Anerkennungsberatung des IQ Netzwerks. Da habe ich erfahren, dass die Anerkennung doch nicht so schwierig ist. Ich brauche keine Fachprüfung, es gibt für Polen eine automatische Anerkennung. Ich muss nur die fehlenden Papiere bringen und eine gesundheitliche Prüfung durchlaufen, die kein Problem für mich ist.

 

Gab es für Sie Hindernisse und Beeinträchtigungen bei Ihrer Arbeit, weil Ihnen die formale und offizielle Anerkennung Ihres polnischen Berufsabschlusses bisher fehlte?

Eigentlich leiste ich als Heilpflegerin dieselbe Arbeit wie eine Krankenschwester. Nur bestimmte Tätigkeiten, wie z. B. Spritzen geben, darf ich nicht.

 

Welche Vorteile erhoffen Sie sich von einer Anerkennung Ihrer Berufsqualifikation und Ihrer langjährigen Praxiserfahrungen?

Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen in der Bezahlung. Als freiberufliche Heilpflegerin verdiene ich momentan zwischen 16 und 22 Euro pro Stunde. Eine Krankenschwester bekommt zwischen 26 und 35 Euro. Davon gehen natürlich noch Steuern und Versicherungen ab und Kosten wie Miete. Berufliche Anerkennung lohnt sich.

 

Sie arbeiten im Berufsfeld Gesundheit und Pflege, in dem es in Deutschland und besonders in Brandenburg an Fachkräften mangelt. Fühlen Sie sich als Fachkraft in Deutschland willkommen?

Ja. Ich bin zufrieden, alles ist in Ordnung. Meine Patienten mögen mich und sind traurig, wenn ich für einige Tage nach Polen fahre. Meine Chefin ist einmalig. Sie behandelt mich gleich wie die anderen Kollegen. Allerdings gefällt vielleicht einigen Kolleginnen meine Arbeit nicht immer. Aber das ist normal, wir arbeiten anders als die deutschen Schwestern.

 

Wollen Sie sich vielleicht auch dauerhaft in Brandenburg niederlassen?

Ja, ich will länger hier arbeiten, Minimum 5 Jahre. Die Gegend ist in Ordnung. Ich war überall in Deutschland, z. B. in Nürnberg, aber hier sind die Menschen lockerer. Ich denke darüber nach, ein Gewerbe anzumelden. Eine Festanstellung wegen der Rente lohnt sich für mich nicht, der Stundenlohn ist zu gering. Ob ich ganz aus Polen wegziehen sollte, weiß ich nicht wegen der Familie. Ich muss ab und zu nach meiner Mutter sehen, sie wohnt in Gdańsk.

 

Welche Botschaft haben Sie für andere Fachkräfte mit ausländischen Berufsqualifikationen? 

Sie sollten sich auf jeden Fall ihren Berufsabschluss anerkennen lassen und Deutsch lernen. Die Arbeitsbedingungen hier sind besser als in Polen und der Lohn ist höher. Man muss etwas aufpassen, einige Arbeitgeber, Familien und auch Vermittlungsagenturen versuchen, einen auszunutzen und die Stellen sind ja nicht geprüft. Aber dann kann man sich etwas anderes suchen. Es lohnt sich.
Man muss sich auch gegenseitig helfen. Eine polnische Kollegin und ich haben uns gesagt, wenn die eine etwas erfährt, erzählt sie es der anderen.

 

Möchten Sie uns sonst noch etwas mitteilen?

Die Möglichkeit der Anerkennung muss bekannter werden und die Informationen darüber, was man machen muss, um in Deutschland zu arbeiten, müssen einfacher zugänglich sein
Für bestimmte Arbeiten ist ein geringeres Sprachniveau möglich. Man lernt hier vor Ort viel Deutsch und bemüht sich.

 

Vielen Dank für das interessante Interview und alles Gute!

 

Das Interview mit Frau Wojciechowska führte Uta Volgmann vom IQ Netzwerk Brandenburg am 14.5.2013. Die Antworten von Frau Wojciechowska wurden gekürzt.


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Das Förderprogramm IQ – Integration durch Qualifizierung wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge administriert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit.